Ein Hauch Côte d’Azur

Wer lässt sich nicht gerne überraschen. Es gibt gute und böse Überraschungen und viel Weißraum dazwischen. Der in Frankfurt am Main ansässige Literaturverlag weissbooks.w steht mit seinem Namen für „zuverlässige Überraschungen“, und das schon seit zehn Jahren. 2008 bekam das von dem Duo Anya Schutzbach und Rainer Weiss, zwei ehemalige Suhrkamp-Leute, gegründete Unternehmen auf der Leipziger Buchmesse einen Award als „Newcomer des Jahres“.
Seit Anfang 2018 führt Schutzbach die Buchgeschäfte allein: weissbooks.w steht hauptsächlich für deutschsprachige Gegenwartsliteratur, aber auch für internationale Literatur etwa aus Osteuropa, erzählendes Sachbuch und eine „schmale Lyrik-Edition“. Ein besonderes Augenmerk liegt auf Typografie und Gestaltung. weissbooks.w ist ein Gesamterlebnis.
In unsere Auslage kommt das Romandebüt von Alan Schweingruber, einer der Schweizer Autoren aus dem Frankfurter Haus.

Alan Schweingruber – Simona

Versprechen für die Ewigkeit werden viele gegeben. Sie fordern die Zukunft heraus und sind damit nie sicher. Aber wir glauben daran. Auch Antoine hat seine Liebe zu Claire an ein Gelübde gebunden. Ein Diktiergerät verewigt die Worte, die an jenem trunkenen Abend mit einem befreundeten Paar ausgetauscht werden. „Ich lasse dich nie allein“, sagte Antoine damals, es sollte anders kommen.
Einige Jahre später hört er die Aufnahme wieder, das Lachen Claires, die Unbeschwertheit bedrängen Antoine. War nicht nach dem tragischen Verlust von Claire längst Zeit für Neues? Gibt es einen richtigen Zeitpunkt dafür?
Da taucht die Schweizerin Simona in Antoines Dorf unweit von Nizza auf, zum Urlaubmachen, wie sie sagt. Dabei ist es eher ein Untertauchen: Sie ist gekommen, um „einen Teil ihres Lebens hinter sich zu lassen“. Etwas Scheues, Geheimnisvolles umgibt sie, schnell findet der charismatische Antoine, „der Schöne“, Kontakt zu ihr. Die beiden begegnen sich von Anfang an als Verlorene und Suchende. Sie machen Ausflüge, essen zusammen, öffnen einander, lieben sich. Fassaden beginnen zu bröckeln. Simonas Geschichte rückt in den Fokus, wie auch die Erzählform allmählich in die Ich-Perspektive gleitet. Sie hat Mann und Kind zurückgelassen, den Job gekündigt, den Vater an die Demenz verloren. Wochenlange Therapiesitzungen liegen hinter hier. Sie offenbart sich als jemand, der „Freiräume“ braucht, das Leben als Tanz auf dem Seil nimmt.
Achtsam und ohne Schwere, mit einem Gespür für das Erleben von Bindung, der Sehnsucht nach Unabhängigkeit wie Geborgenheit entfaltet Alan Schweingruber Schicksale und Versäumnisse seiner Figuren petit à petit. Zugleich verschränkt er diese miteinander durch die Nachwehen vergangener, auch die Öffentlichkeit traumatisierender Geschehnisse, wie den entsetzlichen Terroranschlag 2016 auf dem Boulevard des Anglais in Nizza.
Dass Selbsterkenntnis und Neuanfänge möglich sind, davon erzählt der bezaubernde Roman auf eine weiche, anteilnehmende Weise mit einem gt Lavendel und Côte d’Azur.

  • Alan Schweingruber: Simona. Frankfurt: weissbooks.w 2018. 213 Seiten

Senta Wagner

 

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