Mona Høvring: Was helfen kønnte (edition fünf)

Was die Fünf alles sein kann. Im Verlagsnamen der edition fünf aus Gräfelfing im Landkreis München macht sie sich besonders gut. Wer schon lange eine Autorin vermisst, wird unter Umständen dort fündig. Seit 2010 sind in dem Verlag rund um Initiatorin und Verlegerin Silke Weniger Frauen am Werk. Genauer: am Erschaffen einer „Bibliothek des weiblichen Erzählens“. Darunter fünfundzwanzig Bücher leuchtend rot und hübsch gestaltet. Und auch wenn wir gerade nichts vermissen, so erfreuen wir uns an diesem ebenso leidenschaftlichen, sorgsamen wie absolut notwendigen Tun.


Hier finden sich „Meilensteine von Autorinnen aus aller Welt: Romane, Erzählungen und (auto-)biografische Texte, vergessene Schätze und lohnende Entdeckungen, Deutschsprachiges und Übersetztes“, etwa von Dacia Maraini, Gina Kaus, Diane Middlebrook, Malin Schwerdtfeger und Irmtraud Morgner. Besonders hervorzuheben ist auch die Anthologie Bittere Bonbons, die in den Erzählungen von vierzehn jungen Autorinnen die enorme Bandbreite georgischer Literatur zeigt: „Von zart versponnen bis brutal sind alle Tonlagen dabei.“ Aus dem aktuellen Frühjahrsprogramm stammt der folgende Roman./sw

 

Mona Høvring: Was helfen kønnte

Pubertät ist normalerweise eine Phase, deren Leidigkeit erst das Erwachsensein kundtut. Auch die Literatur hat sich immer wieder mit Pubertät befasst;  J. D. Salinger verdankt ihr großen Ruhm, Sylvia Plath ihr die möglicherweise unsympathischste Protagonistin der Literatur des 20. Jahrhunderts abgerungen, und somit könnte man für jedes weitere Stück Pubertätsbeschreibung hinreichend gewappnet sein.

Mona Høvrings 2004 in Norwegen erstmals publizierte Adoleszenzgeschichte Was helfen kønnte erzählt die Geschichte eines Mädchens, deren Mutter sich im Meer ertränkt hat, bevor die Handlung einsetzt. Die Ich-Erzählerin Laura ist danach allein mit dem Vater und dem älteren Bruder, und während sie den Bruder auf distanzierte Art und sehr erwartungslos verehrt, bleibt die Beziehung zum Vater kühl und fremd: „– Können wir nicht versuchen, Freunde zu sein? – Meinetwegen, sagte ich. Wer fängt an? Ich legte mich auf die Seite und machte die Augen zu.“ Eine Freundin, deren Mutter mit beiden Kindern ins Hallenbad geht, zieht fort, und auch der Bruder verlässt bald Haus und Ort, um zu studieren. Als stabil erweisen sich ein Gärtner und seine Frau, die der Heranwachsenden Zutrauen in ihre Fähigkeiten und Gastlichkeit entgegenbringen, sodass Laura ein Botanikstudium ins Auge fasst.

Die erotische Adoleszenz bleibt merkwürdig unverbindlich und oberflächlich; die Protagonistin beschreibt alles nüchtern und äußerlich, und am stärksten emotional involviert wirken wiederholte Feststellungen, keine Wehmut zu empfinden, keine Traurigkeit, keinen Kummer. Obwohl der Suizidversuch der fast erwachsen gewordenen Frau kurz vor dem Ende überraschend kommt, wirkt er nicht bedrückend. Die Bedrückung lässt sich allenfalls an der Menge von Verschwiegenheit und Unbewusstheit erahnen – es gibt keine offene Wut, keinen Streit, keinen Neid und kein kleinstes bisschen Selbstmitleid. Nun ist Schweigen nicht unbedingt die Stärke einer Romanerzählung, und Menschen, die das Glück genießen, den Tod von Eltern noch fürchten zu müssen, werden durch die Dürre der Gefühlsäußerungen bei Mona Høvring möglicherweise einen kleinen emotionalen Hungertod erleiden, aber zum Vorwurf lässt sich das der Autorin kaum machen. Ihre Erzählung unterläuft das seit Aristoteles geläufige Narrativ, tragisches Erzählen handle von besseren Menschen als den normalen. Laura gibt sich bestenfalls grimmig, aber zumeist wirkt sie unbeteiligt und hoffnungslos, und die lustvollsten Passagen behandeln erotische Fantasien, aber nicht wirkliches Erleben.
Insofern könnte man Høvrings Beitrag zur Pubertätsliteratur als Einblick in emotionale Desintegration auffassen, ein durchaus zeitgenössisches Problem, obwohl Høvrings Handlung vor Internet und mobiler Kommunikation angesiedelt ist.

Gesche Heumann
(Abbildungen edition fünf)

  • Mona Høvring: Was helfen könnte. Roman. Aus dem Norwegischen von Ebba D. Drolshagen. Im Anhang ein Gespräch mit der Autorin. Gräfelfing: edition fünf 2019. 144 Seiten, Hardcover. 19 Euro

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