Andreas Kump: Über vierzig (Milena Verlag)

Überall diese Hitze! Selbst vor Büchern macht sie nicht halt. So passt kein Buch besser zu einem Hochsommertag wie Über vierzig von Andreas Kump: die aufblasbaren quietschbunten Badetiere auf dem Cover, der Pool, die vierzig (Temperatur und/oder Alter). Hinein ins heiße Vergnügen!

Tatsächlich reicht die Gluthitze eines Werktages und einer kaum kühleren Nacht, um die Menschen nicht nur zum Schwitzen, sondern buchstäblich zum Schmelzen zu bringen. Dass die Charaktere in Kumps lässigem Romanerstling, erschienen im Milena Verlag, alle so an ihrem Vierziger kratzen oder auch ihren Fünfziger schon erreicht haben, sorgt dabei dennoch für Erfrischung. Es drehen sich ja genug Bücher um Adoleszenz und hypervernetzte Millenials.
Jedenfalls würde man bei obiger Alterskohorte von Gesetztheit und einem Angekommensein im Leben ausgehen. Von wegen: Es ist die helle Freude, wie der Autor seine Figuren und diverse Randerscheinungen aufblättert und dünnhäutig werden lässt, ohne sie zu entblößen. Jede bzw. jeder Einzelne ist auf seine Weise angeschlagen, gekränkt, abgehalftert und angezählt – körperlich wie geistig. Hitze und Alter machen vor niemandem halt: In egalitärer Anschauung und Anerkennung unterschiedlichster Milieus und Herkünfte liefert Kump einen rasanten Querschnitt durch eine Gesellschaft, die ihren Tribut fordert und bei deren Mitgliedern die Lebensuhr lauter tickt.
Mit jedem Tag sind wir modernen Leistungsmenschen ein bisschen mehr erschöpft: vom dauernden Selbstoptimieren, dem ständigen sich Abstrampeln, der permanenten Erreichbarkeit. Es trifft also Roland, der schließlich aufgrund von Panikattacken vom dot.com-Business freigestellt wird, „kalter Entzug von der digitalen Welt“. Seine Frau Mona, eigentlich Künstlerin, ist in echt eine frustrierte Angestellte in einem Copyshop: „Für Mona war das Leben ein Warten.“ Derzeit hängt sie mit dem gemeinsamen kleinen Sohn in einem Wiener Freibad ab.
Auch das Selbstbild der strahlenden, unangefochtenen Artdirektorin Pia bröckelt. Da helfen nur Tabletten. Wieder andere haben ihre wildesten, absturzgefährdetsten Zeiten hinter sich, halbseidene Großmäuler sind sie noch immer, wie Tommi oder Lesbos. Einmal Rock ’n’ Roller, immer Rock ’n’ Roller, nur eben mit mehr Falten und höherem Ruhebedürfnis. Noch andere gieren, egal ob im Job oder privat, nach „Response, Response, Response“.

Kapitelweise wird aus der Sicht jeweils einer der Figuren erzählt. Zugleich treten überraschende Verknüpfungen unter ihnen zutage, die fast alle in die ebenfalls in die Jahre gekommene Kulturfabrik nach Linz führen.

Als Veteran der weit zurückliegenden Aufstände seiner Generation wusste Lesbos, wie sich Niederlagen anfühlten. Stark schwitzend lehnte er am Tresen der Kulturfabrik und blickte über den Rand eines vollen Bierglases hinweg. Was er dort sah, verhagelte ihm die Laune.

Zum Ende hin wird es dringlich und die Kapitel folgen dicht auf dicht. Für Auf- und Umbrüche und die richtigen Fragen ist es eben nie zu spät: Was macht man aus seinem Leben und welche Rolle spielt man darin?
Trefflich sind die gut sitzenden, wie vom Munde abgelauschten Dialoge, immer einen Tick unter Niveau, das Spiel mit Stereotypen und die Lust an der Zuspitzung. Kump schreibt forciert, schonungslos, lebendig, aber auch mit milder Einsicht. Sofern, was auch passiert, ihn die Metaphern nicht mitreißen und „an den Klippen begrenzter Zeitkapazitäten zerschellen“.

Senta Wagner
(erweitert, Original erschienen in der Buchkultur 184)

 

  • Andreas Kump: Über vierzig. Wien: Milena Verlag. 267 Seiten, Hardcover. 24 Euro. E-Book 17,99 Euro.

 

 

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