Ana Marwan: Der Kreis des Weberknechts (Otto Müller Verlag)

Schwer zu fassen ist einer, der anderen am liebsten aus dem Weg geht, Modell „Einsiedlerkrebs“. Verschroben kommt er auf den ersten Seiten des verzwickt komischen Romandebüts Der Kreis des Weberknechts der 1980 in Slowenien geborenen und in Wien lebenden Ana Marwan daher. Die Autorin stand mit ihrem Buch auf der Shortlist des Bloggerpreises für Literatur „Das Debüt“. Erschienen ist der Roman im Herbst 2019 im Salzburger Otto Müller Verlag.

Karl Lipitsch also, Protagonist des Buches, mittelalt, belesen und eitel, bevorzugt die glückseligmachende Einsamkeit. Vom Menschenhasser ist gar zu lesen, von einem modernen Molière’schen Menschenfeind. Gekränkt dürfte ihn das Leben haben. Sein derzeitiger Alltag besteht darin, ein „allumfassendes, ontologisches“ Werk niederzuschreiben, um der „Menschheit die Wahrheit ins Gesicht zu sagen“, wofür er beste Voraussetzungen braucht, wie die „warme Umarmung“ der „Abgeschiedenheit“.

Ach, er liest wieder. Er sitzt jeden Tag in seinem Garten und liest. Er ist immer da, aber trotzdem so unzugänglich. Er ist ein belesener Mann, ein interessanter Mann. Wer liest, hat Ausdauer, einem solchen kann man Dinge erzählen. Dann kann er einem sagen, ob er so etwas schon einmal in einem Buch gelesen hatte, und wie es dort ausgegangen war. Es ist immer interessant zu wissen, wie Dinge ausgehen.

Sechs Monate geht das so, als die Nachbarin Mathilde zielstrebig in sein Refugium einbricht und Lipitschs stabiles, wenngleich überspanntes Frauenbild ins Schleudern bringt. Es folgen Einladungen von Mathilde bis hin zur festen Freitagsverabredung. Der Mann gerät aus dem Konzept. Ein Eiertanz der beiden zwischen Abweisung und Annäherung beginnt, denn: Mathilde hat Lipitsch den Kopf verdreht und geht selbst „mit Vergnügen in seine Falle“.

Die Erzählerfigur wohnt dem Spektakel mit Vergnügen und ironischer Distanz bei. Aus sämtlichen ausgelegten Fäden zwischen Frau und Mann, Rede und Gegenrede wird ein dichtes Erzählnetz gewoben, das auch die Lesenden mit Floskeln wie „lass uns sagen“ oder „ich bitte Sie“ einfängt. Ob das alles was mit dem Zufall zu tun hat, wird geistreich durchexerziert, flankiert von Verweisen auf Prominenz aus Philosophie und Literatur. Marwans Sprache ist auf Pointe und Witz angelegt, ihren Helden lässt sie genüsslich scheitern. Mann weiß einfach nicht, was Frau will, und anscheinend auch nicht, was er selbst will.

Senta Wagner

 

  • Ana Marwan: Der Kreis des Weberknechts. Salzburg: Otto Müller Verlag 2019. 191 Seiten, gebunden. E-Book: 17,99 Euro

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